Gegenmacht aufbauen

Roter Aufbau Hamburg

Um unsere Klasse kämpfen!

Die „Linke“ in Deutschland ist in einem schlechten Zustand. Sie ist gespalten in innere Grabenkämpfe, ergeht sich in Individualismus und Hedonismus. „Links sein“ dient gerade im universitären Umfeld eher der eigenen Identitätspflege, als dass „Linkssein“ eine ernst gemeinte Opposition zu den Herrschenden Verhältnissen bedeutet. Nur wenige radikale Gruppen scheinen ihren politischen Ansatz noch ernsthaft zu verfolgen oder wagen es gar ein Selbstverständnis zu formulieren das über ein undefinierbares „Wir sind eine linke Gruppe“ hinaus geht. Gerade in sogenannten „postautomomen“ Zusammenhängen wird mit Linkssein eine ganz besondere subkulturelle Spielweise gemeint, die sich nicht mehr an Klassenwidersprüchen oder materiellen Verhältnissen orientiert, sondern „poststrukturalistische“ Identitätspolitik betreibt.

Das am meisten verbreitete Konzept zur Überwindung der eigenen Schwäche, ist die Forderung danach eine „Gegenmacht aufzubauen“. Wir bezeichnen in Anlehnung an den italienischen Marxisten und Politiker Antonio Gramsci Gegenmacht als den schrittweisen Griff nach der Hegemonie, welcher damit im Widerspruch zur sozialen Macht und politischer Herrschaft des Kapitals steht.

Hegemonie und Klassenpolitik

Wir begreifen unsere Gesellschaft als Klassengesellschaft, in der das „Kulturelle Projekt“ der Kapitalistenklasse ihre Vollendung darin gefunden hat, dass sie ihre eigenen Interessen als gesellschaftliche Allgemeininteressen definieren und durchsetzen. Die herrschende Klasse ist dabei hegemonial, in dem sie nicht nur die ökonomische Macht besitzt, sondern auch anderen Kräften Zugeständnisse macht und damit eine gewisse Kompromissfähigkeit zeigt. Die hegemoniale Herrschaft ringt also um eine Balance zwischen Elementen des Zwangs und der Konsensfindung. Hegemonie beruht demnach auch auf einem „aktiven Konsens der Regierten“, also einer freiwilligen Unterwerfung unter die Interessen der Herrschenden. Wenn wir ein Ende dieses Systems wollen müssen wir also zunächst innerhalb unserer Klasse den unversöhnlichen Widerspruch zwischen unseren Interessen und denen des Kapitals aufdecken und als Linke und ArbeiterInnen unser eigenes „kulturelles Projekt“, unsere eigenen Werte und Normen entwickeln und sie im Bündnis mit anderen Kräften zu den Führenden machen, denn Hegemonie steht niemals still. In der Zivilgesellschaft werden die politischen, kulturellen, sowie ideologischen Kämpfe um Hegemonie ausgetragen und umfassen alle sozialen Bereiche und gesellschaftlichen Vereinigungen. Also überall wo Menschen unserer Klasse anzutreffen sind, muss auch der Kampf gegen dieses System ausgefochten werden. Unser vehementes Beharren auf dem Klassenbegriff mag für viele postautonom sozialisierte Teile der Linken und andere Menschen ein wenig befremdlich klingen. Wir sehen aber den Kampf um unsere Klasse als den einzigen Weg an gegen dieses System unversöhnliche Mehrheiten zu organisieren. Dabei muss uns aber klar sein, dass dies immer Kämpfe um Köpfe und Herzen der Mehrheiten sind und es dennoch den revolutionären Umsturz bedarf. Wenn wir gesellschaftliche Mehrheiten erobern und zur reellen Gefahr für ihr System werden, dann fällt auch die demokratische Fratze des Kapitals und sie wird mit offensichtlicherem Zwang ihre Führung panzern. Dies sind keine apokalyptischen Dystopien, der Faschismus ist eine Krisenbewältigungsstrategie des Kapitals und somit immer mitzudenken.

Gegenmacht konkret – Unsere Seite aufbauen

Gegenmacht ist nicht als revolutionärer Aufbauprozess einer rein kommunistischen Bewegung zu verstehen, sondern umfasst alle Kräfte, die irgendeinen Beitrag zum Projekt leisten können, die Hegemonie des Kapitals zu schwächen und mit vielen Grundpfeilern unserer Anschauungen übereinstimmen. Gegenmacht wird dort konkret, wo Strukturen, wie politische Zentren, Medien, sozialen Vereine etc. unabhängig und im Widerspruch zur den Herrschenden aufgebaut werden. Dabei ist unsere Aufgabe in diesen Kämpfen die Interessen unserer Klasse zu vertreten und das verbindende Element herauszustellen: den Widerspruch zum Kapitalismus. Dabei gilt es dies hervorzuheben und die revolutionäre Perspektive aufzuzeigen. Aktuell ist vor allem wichtig in unsere eigene Klasse zu wirken und in ihr die herrschende Hegemonie zu brechen.

Raus aus der Szene, rein in die Klasse!

In Kontakt mit unserer Klasse, dem Proletariat, treten wir jedoch nicht an der Universität und auch selten in besetzten Häusern und anderen klassischen Szeneinstitutionen. Die Linke muss ihre Befindlichkeiten ablegen und endlich wieder auf die Schmuddelkinder zugehen. Das ist sicherlich nicht immer angenehm. Niemand wird als KommunistIn, FeministIn und vorurteilsfrei geboren, das Erlangen dieser Überzeugungen und Eigenschaften ist ein Prozess. Selten trifft man auf Menschen deren Verhaltensweisen dem linken Konsens entsprechen und so müssen wir lernen mit Verhaltensweisen, die ansonsten in linken Kontexten geächtet sind, umzugehen. Dies bedeutet einerseits, dass wir uns von der Vorstellung die Linke könne sich durchgehend in „safe spaces“ bewegen verabschieden müssen, andererseits, dass wir uns Mühe geben müssen den Leuten auf verständliche und sympathische Weise unsere Inhalte näher zu bringen.

Momentan ist die Linke dazu kaum in der Lage, denn der im akademischen Rahmen entstandene Verhaltenskodex für linke Räume verschließt diese für Menschen, die nicht das Glück hatten links sozialisiert zu sein, dies führt uns zur keiner handlungs- und anschlussfähigen politischen Bewegung. Zwar ist es richtig z.B. sexistisches, homophobes und behindertenfeindliches Verhalten anzuprangern und zu kritisieren, in vielen linken Kontexten endet diese Kritik jedoch nicht bei der persönlichen Ansprache, sondern wird genutzt um ganze Personen oder Personengruppen zu diskreditieren. Aus vorangegangenen Erfahrungen wird schnell ein Muster gemacht, und so werden häufig gerade migrantische GenossInnen und proletarischen Jugendlichen von vornherein misstraut. Wer nicht akademisch geschliffen jede „Mikroaggression“ aus seinem Sprachgebrauch verbannt, kommt für viele als Gesprächspartner nicht mehr in Frage. Genau so lässt sich jedoch keine Gegenmacht, ja noch nicht mal ein Kleinstbündnis realisieren. Außerdem sind Linke häufig arrogant gegenüber den Menschen, die sie eigentlich für ihre Projekt gewinnen wollen. Genau dies hat uns in den vergangenen 20 Jahren in die gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit geführt.

G20 nutzen um zusammenzukommen 

Das Fazit aus diesen Überlegungen kann nur lauten: die Linke muss nach außen hin offener und nach innen geschlossener auftreten. Wenn wir mehr Menschen anziehen und organisieren wollen, müssen wir uns auf gemeinsame Werte und Ziele besinnen und aufhören uns wegen Identitäts- und Egoproblemen zu streiten, wir müssen aufhören jeden kleinen Widerspruch als Feindschaft zu verstehen und wir müssen beginnen eine gemeinsame Politik zu entwickeln ohne dabei in einen sozialdemokratischen Opportunismus zu verfallen.

Startpunkt dieser Politik kann der G20 Gipfel in Hamburg werden. Wenn wir dort gemeinsam und in solidarischer Atmosphäre verschiedene Proteste und Protestformen auf die Straße tragen, können wir dort ein wesentliches Symbol gegen das kapitalistische System setzen. Der Mobilisierungseffekt, der dem G20 Gipfel zweifellos innewohnt, hat das Potential viele Menschen zu politisieren und damit ein erneutes Erstarken der revolutionären Linken zu ermöglichen.